Fall Beltracchi: Die Spur führt nach Zürich

Eine Zürcher Galerie soll in den grössten Kunstschwindel der jüngsten Zeit verwickelt sein

von Ricardo Tarli

Eine Zürcher Galerie ist ins Visier der deutschen Polizei geraten. Nach Erkenntnissen des Landeskriminalamts (LKA) Berlin ist über die renommierte Galerie Orlando ein Gemälde des deutschen «Meisterfälschers» Wolfgang Beltracchi verkauft worden. Dies berichtet die Schweizer Tageszeitung „Tages-Anzeiger“ in der Ausgabe vom 24. Mai.

Das Kunstwerk war dem Kubisten Louis Marcoussis zugeschrieben worden. «Wir können heute mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon sprechen, dass wir es hier mit einer Fälschung zu tun haben», sagt René Allonge, Kriminalhauptkommissar beim LKA Berlin.

Die mutmassliche Fälschung soll aus der Hand Beltracchis stammen, der eigenen Angaben zufolge rund dreihundert Gemälde bekannter Künstler gefälscht hat. Nachdem 2010 der grösste Kunstschwindel der jüngsten Geschichte aufgeflogen war, wurde Beltracchi 2011 von einem Kölner Gericht zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Louis Marcoussis_LKA Berlin

Die deutschen Ermittler konnten trotz intensiver Recherche nicht feststellen, wo sich der Grossteil der identifizierten Fälschungen Beltracchis heute befindet. Nach Erkenntnissen des LKA Berlin ist die mutmassliche Marcoussis-Fälschung 2008 an die Galerie Orlando ausgeliefert und danach an einen unbekannten Käufer weiterverkauft worden.

Galeristin verschweigt Käufer

«Weil die Galerie uns den Käufer des Gemäldes nicht nennen will, wissen wir heute nichts über dessen Verbleib», sagt Kriminalhauptkommissar Allonge. Den Namen des Käufers zu kennen, wäre für die Polizei wichtig, damit dieser über den Fälschungsverdacht in Kenntnis gesetzt werden könnte.

Galeristin Susanne Orlando wollte sich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» zum Fall nicht äussern. Sie ist nicht zu einer Aussage verpflichtet: In der Schweiz wird im Fall des Marcoussis-Bildes nicht ermittelt.

Kunstfälscherprozess in Wiesbaden

Auch in einem zweiten Fälscherfall taucht der Name der Galerie Orlando auf. Vor dem Wiesbadener Landgericht wird derzeit einer mutmasslichen Fälscherbande der Prozess gemacht. Den Angeklagten wird unter anderem vorgeworfen, sie hätten 2005 versucht, über die Galerie Orlando zwei angeblich gefälschte Gemälde des russischen Künstlers Alexej von Jawlensky zu verkaufen. Auch dazu wollte Susanne Orlando nicht Stellung nehmen.

Der Zürcher Kunstrechtsexperte Andrea Raschèr fordert strengere Gesetze, um Kunstbetrügern einfacher das Handwerk legen zu können. Für eine Gesetzesverschärfung sieht der Kunsthandelsverband der Schweiz (KHVS) indes keine Veranlassung.
(Quelle: Tages-Anzeiger, 24.05.16, Seite 1)

Zum Hauptartikel:
Die Spur des Fälschers (Tages-Anzeiger, 24.05.16)

 

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